Allgäuer Zeitung // 13.06.2018

Zwischen Lebensmut und Todesangst


David Berkmiller (13) aus Wald hat seit Kurzem eine neue Lunge. Mit Familie und Freunden organisiert sein Vater ein Benefizkonzert mit „Losamol“. Ob der Ostallgäuer Bub am Samstag dabei sein kann, steht aber noch nicht fest.

„Ohne neue Lunge wäre David nicht mehr unter uns“, sagt sein Vater, Gerhard Berkmiller. Der Walder schluckt, ist immer noch fassungslos, wie es seinem Mukoviszidose kranken Sohn vor dessen Organtransplantation Mitte März gegangen ist. Mit einer Lungenfunktion unter 20 Prozent war der Bub „mehr tot als lebendig“, sagt der Vater und schluckt erneut.
Nur deshalb rutschte David, wiewohl noch nicht richtig gelistet, als Organ-Empfänger europaweit auf Platz eins. Und konnte in Hannover sofort operiert werden. „Ich bekomme jetzt viel mehr Luft, was mit der alten Lunge schlecht ging“, sagt David. „Da ging mir oft die Luft aus. Die neue Lunge war meine einzige Chance.“ Zuvor stand es Spitz auf Knopf. Mehrfach erlitt David einen Pneumothorax, eine akute Erkrankung des Brustfells, hatte Luftnot. Teile der Lunge fielen in sich zusammen. Als man nach vielem Blutabnehmen keine Venen mehr bei ihm fand, wurde ein Port gelegt, wie es sonst bei Chemo-Patienten üblich ist.

Am 20. Januar wurde eine Influenza nachgewiesen. Ein Sturzflug begann. Irgendwann war die Lungenfunktion kaum mehr messbar. Am Ende ging es um Stunden. David hing an Apparaten. Schon vor dem öffentlich viel beachteten Muko-Lauf 2016 begann laut Gerhard Berkmiller aber die Talfahrt, die Klinikaufenthalte häuften sich. „Das, was David durchmacht, wünscht man keinem“, sagt er, den Tränen nahe. 

Deshalb sammelt er Geld, mit Muko-Läufen sowie aktuell dem Benefizkonzert Muko-Music am Samstag in Wald, deshalb macht er Davids Geschichte publik. Er wünscht sich, dass mehr Geld in die Erforschung der heimtückischen Krankheit Mukoviszidose fließt. Und dass Betroffenen mehr geholfen wird. „Ich bekomme selbst mit, wie knapp das Geld ist“, sagt Berkmiller. Er berichtet von Kämpfen mit der Kasse um Haushaltshilfen und Fahrtgelder. 

Außerdem wünscht er sich, dass sich deutlich mehr Menschen zu einer Organspende bereit erklären. „Wenn nicht akute Lebensgefahr bestanden hätte, hätte David noch immer keine neue Lunge“, sagt Berkmiller. 

Was angesichts der Zahlen nicht überrascht. So hofften 2017 rund 10000 Menschen bundesweit auf ein Spenderorgan. Organe gab es aber nur etwa 2000. „Viel mehr Leute sollten darüber nachdenken, ob sie spenden wollen oder nicht.“ 

Und jetzt? 

Ist David mit seiner Mama Marina schon wieder im Krankenhaus. Ein Abszess in der Brust machte es nötig, dass David, der nach langem Klinikaufenthalt gerade mal eine Nacht zu Hause war, sofort wieder in die Spezialklinik nach Hannover musste. Und dass Vater Gerhard sofort wieder die 700 Kilometer von Ostallgäu nach Hannover mit dem Auto herunterreißen musste. Zum zehnten Mal heute. Die Tages- und Nachtzeit, auch die Baustellen im Job: Alles wird zweitrangig, wenn es David schlecht geht. 

Man merkt dem 45-Jährigen an, wie sehr die Situation ihn belastet. Ihn und die Familie. Davids Bruder Jonas (15) und seine Schwester Lena (10) rechnen ständig damit, dass die Mama wegmuss, um David in eine Klinik zu begleiten. 

Im vergangenen halben Jahr war der knapp 14-Jährige vielleicht vier Wochen daheim. „Im Krankenhaus ist es so langweilig“, sagt David selbst. Und noch immer hängt sein Leben am seidenen Faden. Im ersten Jahr nach der OP sterben laut Statistik 25 Prozent der Transplantierten an einer Infektion oder Lungenentzündung. Zudem muss Davids Körper die fremde Lunge annehmen. Etwas beruhigter "aufatmen" kann er daher erst nach fünf Jahren. Mit dem Wissen, dass die Haltbarkeit eines Spenderorgans im Schnitt nur bei fünf bis 15 Jahren liegt. 

„Jeden Tag leben wir mit Todesangst“, sagt Gerhard Berkmiller. „Sicher ist David nie.“ Positiv ist aber, dass die neue Lunge - die ja von dem Gen-Defekt Mukoviszidose nicht betroffen ist - Davids Lebensqualität verbessert. Seine Angehörigen sagen, er sei agiler, der ständige Husten, die andauernde Verschleimung seien weg. David selbst hat neuen Lebensmut geschöpft. Er sagt, er freue sich darauf, mit der neuen Lunge, mit der er sehr gut zurechtkomme, Fußball zu spielen, Fahrrad zu fahren. Wenn er endlich wieder heim nach Wald darf. Ob David schon zum Konzert mit Losamol wieder in Wald sein kann, stehr aber nicht fest. Die Ärzte können es noch nicht versprechen. "Das wäre aber das größte Geschenk, das sie uns als Familie machen können", sagt sein Vater. Und schluckt erneut.


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